03.August 2015 Ufford - Dover
Orford Castle - Mistley Towers - Tilbury Fort - Saxon Shore Trail to Dover
Wetter: sonnig, teilweise bewölkt , 26°
Auch heute lacht wieder der gelbe Ball vom Himmel. Frau B nutzt die Gelegenheit und zieht ihre Bahnen im Hallenbad. Dann fahren wir zum Orford Castle, welches wir gestern ausgelassen haben. Die Idee, das mit dem Rad zu erledigen, verwerfen wir. Zudem hegen wir die Hoffnung, das es in dem dazugehörigen Dorf eine Bäckerei gibt. Auf dem kleinen Parkplatz des Castles angekommen, sind wir das einzige Auto. Kein Wunder, es ist 9 Uhr, das Castle öffnet ja auch erst um 10 Uhr.
Orford Castle, umweit des River Ore an der Küste gelegen, war eine Burg der Krone. Zwischen 1165 - 1173 von Henry II. erbaut, nachdem er die Burgen von Hugh Bigod konfisziert und zerstört hatte. Die Konstruktion der Burg ist in England einmalig, jedoch allein der Keep nach byzantinischen Vorbildern ist erhalten geblieben. Die Ringmauer um den Wohnturm, mit vier Türmen und Torhaus ist im Strudel der Zeit und den Häusern der Umgebung verschwunden.
Die Dimensionen des Wohnturms sind im Verhältnis 1 : 1,4142 (1 geteilt durch die Wurzel aus 2), die man in vielen zeitgenössischen Kirchen in England findet. Gebaut wurde er komplett aus behauenen Steinen, der Kalkstein kam aus Caen in der Normandie, einige der Hölzer wurden bis von Scarborough zur Baustelle gebracht. Warum Henry II. diesen Grundriss aus einer Mischung von rund und eckig wählte, hat schon einige Historikern beschäftigt. Ich entscheide mich für die Variante, das er auf einer Mischung der theodosianischen Mauer von Konstantinopel (die Landmauer) und einer Halle basierte, die zu der damaligen Zeit gerade von Johannes II. von Konstantinopel erbaut wurde. Konstantinopel stellt damals das idealisierte Bild kaiserlicher Macht dar.
1336 übertrug Edward III. dem 1. Earl of Suffolk Robert d'Ufford die Burg, von da an war sie keine königliche Burg mehr. Im gleichen Maß wie der River Ore versandete und die Orford Ness Nehrung an Größe zu nahm, sank die Bedeutung des Hafens, des Handelvolumens und die Bedeutung der Burg,
Als 1754 die Familie Seymour-Conway Burg und Ländereien kaufte, war nur noch die Nordwand der Ringmauer erhalten. Das 1806 nicht auch der Turm eingerissen wurde ist der englischen Regierung zu verdanken, die in dem Turm eine wichtige Landmarke für die von Holland kommende Schiffe sah.
So wurde der Turm ab 1831 immer wieder restauriert, während auch die Reste der Ringmauer verschwanden und üblicherweise in anderen Gebäuden genutzt wurden.
Im 2. Weltkrieg gelangte der Turm noch einmal zu militärischen Ehren, auf dem Dach wurde eine Radarstellung installiert. Heute wird sie von der English Heritage verwaltet.
ehemaliges geheimes Atomic Weapons Research Establishment auf Orford Ness
Wir wandern einmal auf den Wällen, die einst die Ringmauer trugen um den Turm, dann suchen wir im Dorf den Bäcker. Am Parkplatz meint ein Einheimischer, ob wir schon in der Kirche waren, wenn nein sollten wir dies unbedingt machen. Das machen wir dann auch.
Eine saublöde Idee. Man kann zwar im gesamten Dorf kostenlos parken, wenn es denn einen Parkplatz gäbe. Das ganze Dorf ist zugeparkt. Wollen die alle zum Bäcker? So dreh ich meine Runden und stelle mich schließlich auf dem Marktplatz außerhalb der gekennzeichneten Flächen und wir frühstücken erst einmal. Da anscheinend niemand weg fahren will, gehen wir schließlich einzeln zur Kirche. Nicht das ein Dorfpolizist uns noch ein Ticket gibt.
Saint Bartholomew's Church ist von 1166, also aus der Zeit als auch Orford Castle erbaut wurde. Die Kirche wurde im 18 Jh. aufgegeben und ab dem 19. Jh. wieder restauriert. Der einstige Chorraum ist noch immer eine Ruine. Im Innern wartet dann eine Überraschung, entweder ist das Kirchengestühl hier härter als anderswo, oder die Bewohner Orfords stammen von der Prinzessin auf der Erbse ab.
Wir fahren weiter Richtung Ispwich. Ich verpasse die Ausfahrt, die das Navi möchte und fahr geradeaus weiter. Gut war das, landen wir doch so bei einem Sainsbury's und 2x 500g Joghurt plus Heidelbeeren sind unser Mittagessen. Auf der Weiterfahrt nach Downtown kommen wir durch verlassene Straßenzüge mit verrammelten Geschäften, deren Wohnhäuser alle samt für je £598.000 zum Verkauf stehen. England hat das Preisniveau von 2007 wieder erreicht.
Ich halte im Halteverbot bei einem Mark&Spencers, während Frau B shoppen geht. Wir sind dort nicht die einzigen, die so verfahren. Nach all den netten Dörfern ist Ipswich wahrlich kein Must see. Nichts wie weiter.
Südlich von Ipswich kommen wir an den Mistley Towers vorbei. Irgendwie sind Parkplätze heute Mangelware. Ich stell das Auto am Kindergarten ab und wir laufen wieder abwechselnd zur Kirchenruine am Ufer des River Stour.
Richard Rigby wollte eine Kirche sehen, wenn er aus seinem Fenster schaute. Zudem hatte er hochtrabende Pläne aus Mistley Thorn ein Spa zu machen und die Kirche sollte diesen Plänen entsprechen. Die Pläne blieben Pläne, die Kirche wurde an Stelle der alten Pfarrkirche im Neoklassizistisch Stil von Robert Adam erbaut. Das Kirchenschiff war klein und als die neue Pfarrkirche 1870 gebaut wurde, wurde das Kirchenschiff abgerissen, nur die Türme an den westlichen und östlichen Ende der Kirche blieben stehen, warum auch immer.
Der Blick auf den Fluss ist allerdings sehr idyllisch.
Weiter geht die Fahrt zu meinem eigentlich Ziel für heute, Tilbury Fort am Ufer der Themse bei Dartfort Crossing. Ich liebe sternförmige Festungen, auch wenn man das eigentlich nur aus der Vogelperspektive richtig sehen kann.
Ich hatte mich richtig gefreut darauf, aber heute ist Montag und Montag ist zu. So kann ich nur ein paar Alibifotos durch den Zaun machen und ein Foto vom Watergate. Umweit von hier liegt das Cruiseterminal für London, das Fort liegt heute mitten in einem Industriegebiet.
Die andere Flussseite mit dem Ort Gravesend schaut hübscher aus. Man könnte rüber fahren, hier gibt es eine Personenfähre über den Fluss
Machen wir aber nicht, wir gehen zurück Richtung Auto, denn neben dem Fort liegt seit 300 Jahren das Ende der Welt und dort gehen wir nun essen. Curryhuhn für die Dame, Gammonsteak für den Herrn. Noch nie wurde uns mit soviel Liebe der Teller platziert und mit genauso viel Liebe ist auch das Essen zubereitet. (Keine Ironie)
Weiter im Text. Über die Q2 Bridge, bzw. Dartford Crossing, kreuzen wir den River Thames in schwindelnder Höhe. Die Maut ist vorher online zu löhnen oder binnen 24 Stunden nach der Benutzung. Kostet 2,50 Pfund, zwischen 22 und 6 Uhr ist es umsonst. Die Tunnel- Brücken-Konstruktion (eine Richtung Brücke, die andere Richtung Tunnel) ist Teil des Autobahnrings um London. Damit auch Radfahrer die Brücke nutzen können, wurde ein Teilstück des Rings A282 genannt. Ist damit keine Autobahn und jeder darf sie nutzen.
Wie man sieht gibt es keinen Radweg auf der Brücke und im Tunnel auch nicht.
Dank eines wohl radelnden Politikers gibt es ein Gesetz von 1988, den Dartford Crossing Act, wo in §27 steht, das Radfahrer kostenlos zu transportieren sind! In der Praxis bedeutet das, man radelt auf beiden Seiten der Brücke zu einem Check Point und hebt das Telefon ab, man muss keine Nummer wählen, und bestellt den kostenlosen Shuttle. Wenn man ein unübliches Fahrrad hat, z.B. ein Dreirad oder Tandem oder mit Anhänger, muss man das zuvor anmelden.
Wer zu den 4 Pausenzeiten des Shuttle kommt, muss 60-90 Minuten warten, wer kurz vor der Pause kommt, muss sehr energisch sein. Ursprünglich, also 1964, gab es einen Doppeldecker-Shuttlebus. Unten der Fahrradständer, oben die Fahrgäste. 5 Busse wurden bestellt, 4 im Dienst, einer als Reserve, alle 6 Minuten kam ein Bus. Bereits 5 Monate später fuhr nur noch ein Bus, zu wenig Radfahrer, und seit 1965 fahren nun Landrover.
Wer die ganze Story zum Dartford Tunnel Cycle Service Bus lesen möchte klickt hier.
Auf der anderen Seite der Brücke meldet TomTom einen Stau vor Canterbury und meint, über die M20 ging es schneller. Die M20 führt aber von Westen nach Dover und neben der LKW Schlange vor dem Fährhafen, kommt man auch am Theater um den Kanaltunnel vorbei. Ich ignoriere die Meldung und zur Belohnung meldet TomTom 58 Minuten Verzögerung. Super gemacht Herr W.
Am Stauende angekommen, stehen wir erst, dann Schritttempo und plötzlich geht’s weiter. Unfallstelle also geräumt. Ein verbeultes Auto liegt nahezu im Graben, zwei andere verbeult davor und dahinter. Kurz darauf eine schwarze Rauchfahne über der Bahn. Auf der Gegenrichtung brennt ein Auto in hellen Flammen , die Türen sind auf, kein Stau dahinter, kann eben erst passiert sein. Schrecklich.
Mit nur 20 Minuten Verspätung erreichen wir wieder "unser" Hotel im Holiday Park in St. Margaret's at Cliffe. Hallenbad ist montags ab 18:30 Uhr für einen Sportverein reserviert, also nix mit Schwimmen. Gegessen haben wir ja schon, Wandern wir also. Im nächsten Posting.