Seit zwei Wochen zurück aus Florida und mein Reisebericht ist noch nicht fertig. Schwach! Noch schwächer, dass er nicht nur noch nicht fertig, sondern noch gar nicht so recht angefangen ist. Um mich selbst anzutreiben, will ich mich daher mal hier ans Schreiben machen. Ich hoffe, auf Eure Unterstützung! Und vielleicht tut ein kleiner Ausflug in den Sunshine State bei dem trüben Wetter hierzulande auch den Daheimgebliebenen unter Euch ganz gut. Wir wollten jedenfalls keinen Tag des neuen Jahres abwarten für die erste Reise 2016. Warum auch? Meine bessere Hälfte erinnerte mich ja bei jeder Gelegenheit daran, dass ich ihr im letzten Jahr das gelobte Land zugunsten eines Trips durch Ostasien vorenthalten und statt mit ihr den Sommerurlaub mit dem Alpenverein auf dem E5 verbracht hatte. Also ging es an Neujahr endlich mal wieder über den Großen Teich!
Die Wahl eines Reiseziels für dieses Jahreszeit war einfach. Da ist sich ja auch der halbe Osten des Landes einig. Entsprechend gesalzen sind die Hotelpreise in Florida. Das fiel uns aber erst ein, als wir einen relativ günstigen Lufthansa-Flug nach Tampa geschossen hatten. Der fast auf Parität mit dem Dollar abgestürzte Eurokurs sprach ebenfalls dagegen, dass die Reise ein Schnäppchen werden würde. Egal. Sunshine State: Here we come!
1. Januar - Fliegen mit ohne Tasche - im Anschluß
2. Januar - Paddeln mit ohne Manatees
3. Januar - Der Kunst wegen: St Pete
4. Januar - Endlich Strand, endlich Sonne!
5. Januar - Durch den Sumpf nach Naples
6. Januar - Sonne über Lovers Key
7. Januar - Through the Everglades
8. Januar - Auf den Keys mit Pelikan & Co
9. Januar - Die kleine Insel am Ende der Straße
10. Januar - Key West, mir san mit'm Radl da
11. Januar - Schlechtwetterprogramm für Key West
12. Januar - Kunst und echte Freundschaft
13. Januar - Einmal quer durch Florida
14. Januar - Rollercoaster Galore
15. Januar - Ende gut...
1. Januar - Fliegen mit ohne Tasche
Neujahrsmorgen am Frankfurter Flughafen - erstaunlich wie viele Menschen schon wieder unterwegs sind, kaum dass 2016 angebrochen ist. Dass man am Check-In-Schalter anstehen muss, haben wir überhaupt noch nie erlebt, seitdem man sich dabei mit Automaten herumschlagen muss. Bei uns hängt sich auch noch das Computersystem auf, so dass wir die Anhänger mehrmals ausdrucken müssen und auch erst nach mehreren Versuchen ein Flughafenmitarbeiter die Anlage dazu bewegen kann, die gelabelten Gepäckstücke abzutransportieren. Wir sind "light" unterwegs: Ein mittelgroßer Koffer und eine Sporttasche nehmen alles auf, was wir für unabkömmlich halten. Sonst haben wir ja meistens Wandersachen dabei. Dieser Posten entfällt für Florida.
Der Andrang beim Einchecken ist allerdings nichts gegen das, was uns am Eingang zum Abflugbereich Z erwartet. Eine Schlange von Passagieren windet sich in wildem Schwung durch die Halle, dazwischen Verirrte, die überhaupt erstmal den Check-In suchen, und stimmungsmäßig alle irgendwo zwischen Neujahrskater und Panik. Dabei steht auf den Monitoren, es sei "geringes Aufkommen". Also, wenn die das anzeigen, kann es so schlimm gar nicht sein.
Ist es dann auch nicht. Nach zehn Minuten des Anstehens sind wir bis zum Checkpoint für die Bordkarten vorangekommen und dank der selbst zu bedienenden Ausweisscanner auch ruckzuck durch die Passkontrolle. Security kostet dann nochmal ein paar Minuten, aber wir sind allemal gut in der Zeit. Ganz im Gegensatz zu den jungen Männern, die hinter uns am Schimpfen sind und wohl drauf und dran, ihren Flug zu verpassen. Fast hätten wir sie vorgelassen, aber wer so viel schlechte Laune verbreitet, hat einfach keinen Gefallen von Mitmenschen verdient.
Unser Gate Z50 ist gleich am Anfang der langen Reihe von Flugsteigen und einer der wenigen, an denen fast nichts los ist. Ich besorge uns noch Croissants zum Frühstück. Kaum sind die verputzt, geht es auch schon mit dem Einsteigen los. Dabei wird gar nicht erst nach Sitzreihen getrennt aufgerufen, die Maschine ist kaum halbvoll. Als die Durchsage "boarding complete" kommt, breiten wir uns aus und besetzen neben zwei Plätzen am Fenster auch gleich noch eine Viererreihe in der Mitte.
Das In-Seat Entertainment kommt von einer Art Tablet-Computer. Der reagiert deutlich schneller aufs Antippen als die alten Monitore. So kann man sich recht mühelos einen Überblick über das sicher für mehrere Erdumrundungen ausreichende Angebot verschaffen. Vorteil dieses neuen Systems ist auch, dass es nicht mehr diese sperrige Box unter den Sitzen braucht. Man hat also mehr Beinfreiheit. Ein Hoch auf die moderne Technik!
Auf meiner Playlist landen "Bridge of Spies" mit Tom Hanks, die an Woody-Allen-Filme erinnernde Komödie "Mistress America", "La Glace et le Ciel", eine beeindruckende Doku über das Lebenswerk des Eisforschers Claude Lorius, und "Padle the World" über einen jungen Pfälzer, der seine Radtour um die Welt gefilmt hat, was wir vor ein paar Wochen erst in einem Programmkino verpasst hatten.
Trotz der erfreulichen Filmausbeute und passablen Essens geht der Flug alles andere als schnell vorbei. Wetterbedingt nimmt unser Kapitän eine sehr nördliche Route über Grönland, dann geht es über dem Mittleren Westen runter Richtung Florida. Zu sehen ist das nur auf dem Bildschirm, seit der Rheinmündung fliegen wir über einer geschlossenen Wolkendecke. Erst über Florida lichtet sich das Weiß.
Nach fast elf Stunden landen wir schließlich leicht verspätet zum ersten Mal auf dem Tampa International Airport. Zwanzig Minuten des Wartens (Conny hat einen druckfrischen Reisepass und wir neue ESTA-Genehmigungen und sind daher nicht berechtigt, einen der Automaten zur Einreise zu nutzen) und die Amerikaner haben unsere Fingerabdrücke, wir im Gegenzug die Stempel im Ausweis.
Direkt hinter der Immigration schlängelt sich ein einziges Gepäckband durch die Halle für internationale Ankünfte, auf dem auch bald Connys Koffer angezuckelt kommt. Auf meine Tasche warte ich dagegen vergeblich. Ist wohl heute Morgen von der Anlage in Frankfurt verschluckt worden. Das ist eine Premiere, bisher ist immer alles Gepäck mit uns in die USA gereist. Conny meint, es tue ihr ja leid für mich, aber sie sei froh, dass nicht ihr Koffer verloren gegangen ist. "Ich auch", ist meine ernsthafte gemeinte Antwort. Das Drama wäre wohl ungleich größer ausgefallen. Dass ich nun nur das an Klamotten dabei habe, was ich am Körper trage, kommt trotzdem ungelegen, denn morgen früh wollen wir gleich paddeln gehen. In Jeans und Turnschuhen will ich nicht aufs Wasser.
Ich gebe also bei einer jungen Dame von Lufthansa eine Verlustmeldung auf und bekomme zwei 25-Dollar-Schecks, um das Allernötigste einkaufen zu können. Wir gehen am mittlerweile recht einsamen Zollbeamten vorbei, fahren mit einem Bähnchen ins Hauptterminal und laufen von dort über die Straße zu den Mietwagenschaltern. Bei Budget kann ich direkt vorsprechen, keine Wartezeit. Sehr gut.
Eine Choice Line gibt es nicht, wir können wählen zwischen einem Nissan Irgendwas und einem VW Beetle. In einem seltenen Anflug von Patriotismus nehmen wir den neuen Käfer. 500 Meilen auf dem Tacho, der Kofferraum erstaunlich geräumig - passt. Nur für die Halterung des Navis eine sinnvolle Stelle zu finden, ist nicht so einfach, gelingt aber schließlich so halbwegs. Keine Herausforderung ist der Weg zum Hotel, das auf der anderen Seite der Stadt direkt an der Autobahn liegt. Das ist nicht unbedingt die idyllischste Ecke von Tampa, aber das Quality Inn ist sauber und unser Zimmer mit allen der aus amerikanischen Kettenhotels gewohnten Annehmlichkeiten ausgestattet.
Da wir wenig auszupacken haben, machen wir uns bald wieder auf zum nächstgelegenen Walmart. Eine Shorts, ein paar T-Shirts, Flip-Flops, Unterwäsche, Socken - schon sind die 50 Dollar weg. Wir halten noch gegenüber bei Walgreens. Offenbar wird in der Drogerie so viel geklaut, dass sogar das Regal mit den Deorollern abgeschlossen ist. Wo sind wir hier nur gelandet?
Was geht am Ende eines langen Anreisetages immer? Richtig, ein Steak und ein Bier. Beides gibt es zu unserer wie üblich vollsten Zufriedenheit im Outback. Todmüde aber zufrieden fallen wir schließlich in unser bequemes Kingsize-Bett.
Gefahrene Meilen: 30 (48 Kilometer)
Hotel: Quality Inn & Suites near Fairgrounds Ybor City - 91 EUR via Expedia