Rowley, Alberta's Ghost Town in den kanadischen Badlands

    • Offizieller Beitrag

    Bei unserer letzten Herbsttour hatten wir schöne Tage in den Rockies, aber wir wollten auch zu den Badlands im Südosten von Alberta. Auf dem Weg von Jasper nach Drumheller - eigentlich ein Fahrtag - haben wir ein kurzen Stopp in der Ghost Town Rowley eingelegt. Rowley ist hier in Deutschland fast vollkommen unbekannt, ich bin auch nur durch einen Zufall darauf gestoßen.



    GPS: 51.762369 -112.786259


    An dem wunderschönen Herbsttag hatten wir Rowley ganz für uns alleine. Nein nicht ganz, ein paar Katzen haben wir gesehen, teilweise waren sie neugierig, der Rest verschwand schnell als sie uns bemerkten. Ich glaube, in Rowley wohnen mehr Katzen als Menschen. Unser Auto war das einzige auf der staubigen Main Street.


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    Rowley - eine Eisenbahnstadt und ein Ort wo sich Leute trafen um Geschäfte abzuschließen, Getreide zu verladen und Nachschub für die Farmer und Rancher zu empfangen. Bevor es Roads und Highways gab, war die Eisenbahn das schnellste Transportmittel in dieser Region.
    Rowley liegt nördlich vom Red Deer River Valley nicht weit entfernt von Drumheller (ca. 30 Minuten Fahrtzeit). Der Ort ist etwas abseits an einer Gravelroad, also nicht direkt an einem Highway. Von der ehemaligen Eisenbahnstrecke findet man nur noch ein paar Meter in Rowley, der Rest der Schienen wurde anderweitig verwendet. In Rowley existieren noch die alte Train Station (heute ein Museum, war aber bei uns leider geschlossen) und viele andere alte Gebäude. Man könnte meinen, dass die Zeit stehen geblieben ist und dass jederzeit die damaligen Einwohner aus ihren Häusern kommen. Wenn man auf der Gravelraod entlang fährt, dann kann man den Ort nicht verfehlen, denn die drei große Grain Elevator (Kornspeicher) kann man schon von weitem sehen.


    Rowley soll erst 1910 entstanden sein als die Railway durch diese Gegend kam. Die Strecke verlief damals in Alberta von Vegreville über Rowley, weiter nach Drumheller und schließlich nach Calgary. 1912 wurde George Swallow der erste Postmaster und damit war Rowley als Stadt offiziell geboren. Es dauerte aber ein paar Jahre bis Rowley sich richtig etablierte. Die meisten Gebäude, die man heute sieht stammen aus den 1920er Jahren, der Boom-Periode der Stadt. Es gibt unterschiedliche Angaben über die damalige Einwohnerzahl, die einen sprechen von 300, andere Quellen sagen etwas von 500 Einwohnern.


    Während der Great Depression war es hart für Rowley - wie für jede andere kleine Prairie Town. Die Trockenheit in den Jahren der Great Depression führt dazu, dass es viele Brände in der Stadt und den Homesteads gab. Schlechte Zeiten, niedrige Kornpreise, Trockenheit führten dazu, dass immer mehr Einwohner den Ort verließen. Die meisten Farmer der Umgebung aber blieben und bestellen ihr Land so gut sie konnten.


    In den 1940er Jahre gab es Änderungen, die einen großen Einfluss auf Rowley hatten. Das Municipal District Office (Bezirksamt) wurde ins benachbarte Morrin verlegt. Eine Serie von Bränden hat einige Geschäfte und Wohnhäuser zerstört. Es gab weitere Läden, die geschlossen wurden, weil sich die Geschäfte nicht mehr lohnte, z. B. der Barber Shop und die Pool Hall. Das gravierendste war, dass neue Roads und Highways gebaut wurden, die aber alle an Rowley vorbei führten.


    In den 1950er Jahren gaben einige Farmer auf, weil die Transportkosten zu den Märkten stiegen und der Preis für Getreide fiel. Viele der originalen Pioneer Homes waren verwaist.


    Die 1960er Jahre waren nicht viel besser, 1965 wurde die Schule geschlossen und der größte Schock war, dass die Railway Station geschlossen wurde.


    In den 1970er Jahren gaben die letzten Geschäfte auf, denn es gab nur noch wenige Einwohner im Ort. Aber das Post Office und die Community Hall war weiterhin in Betrieb und diente den Einwohnern von Rowley und der Umgebung.


    In den 1980er Jahren, als die Stadt fast aufgegeben war obwohl die Grain Elevators noch in Betreib waren und die Eisenbahn immer noch durch Rowley fuhr, wurde die kanadische Filmindustrie auf Rowley aufmerksam und in der 2. Hälfte der 1980er Jahren wurden hier ein paar Filme (Legends of the Fall, The Magic of Ordinary Days, Bye Bye Blues) gedreht. Mir persönlich sagen die Filmtitel nichts, ich bin aber auch kein großer Kinofan. :gg: In dieser Zeit wurden viele Gebäude restauriert und ein paar wurden extra für die Filme gebaut. Die Einwohner der Stadt kamen mit den Filmproduzenten überein, dass die neu errichteten Gebäude stehen bleiben sollten nach den Dreharbeiten. Auch die Werbeindustrie entdeckte Rowley, es wurden einige Werbefilme hier bzw. in der Umgebung gedreht.
    Durch die Filme und Werbung wurde Rowley bekannt und die Menschen besuchten den Ort. Für Rowley gab es nun einen Grund weiter zu existieren - der Tourismus.


    In den frühen 1990er Jahren wurde die Eisenbahnstrecke an die Central Western Railway verkauft. Diese nutzte die Strecke, um das Getreide aus den Grain Elevators abzutransportieren (bis etwa 1993/1994). In dieser Zeit setzte die Alberta Prairie Railway neue Touristenzüge ein, die die Central Western Railway’s Tracks nutzen. An den Sommerwochenenden hielten die Touristenzüge in Rowley. Die Touristen konnten sich in Rowley umschauen, etwas kaufen oder zu Mittag oder Abend essen. Durch die Railway kamen in jeder Saison ca. 8000 Touristen nach Rawley. Der Ort belebte sich wieder, die Einwohner verdienten genug durch die Touristen und Rowley schien wieder eine Zukunft zu haben. Es gab in dieser Zeit auch kleine Rückschläge, die Grain Elevators wurden 1989 geschlossen. Die Einwohner von Rowley sahen in den Kornspeicher eine Touristenattraktion und kauften die Speicher von der Alberta Wheat Pool für 1 $ je Speicher.
    Doch schon 1997 gab es ein jähes Ende, denn die Eisenbahngesellschaft stellte den Zugbetrieb nach Rowley ein und sehr schnell verfiel Rowley wieder in einen Dornröschenschlaf. Auch die Filmindustrie scheint kein Interesse mehr an Rowley zu haben, denn als die Eisenbahnlinie eingestellt wurde, verlies auch "Hollywood" den Ort. Heute verirren sich nur noch wenige Touristen nach Rowley. Die verbliebenen Einwohner hoffen aber, dass durch Mundpropaganda Touristen wieder nach Rowley kommen.


    Heute sollen noch 8 Personen in Rowley leben, gesehen haben wir niemand. Die letzten Einwohner halten verschiedene Gebäude in Schuss für die paar Touristen, die sich nach Rowley verirren. Ich habe irgendwo gelesen, dass man jemand anrufen kann und man erhält eine Führung durch Rowley, selbst im Winter. Jedoch an ein paar Tagen im Jahr erwacht Rowley wieder und Sam’s Saloon öffnet für ein paar Stunden, damit man etwas Essen und Trinken kann.


    Rowley ist eine erstaunliche Ghost Town mit einem "Undying Spirit". Ich meine, dass es Wert ist diese Ghost Town zu besuchen, auch wenn wie bei uns alle Gebäude verschlossen waren.




    Ein paar Bilder vom Rundgang durch Rowley:


    Das Hospital:


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    Das Gebäude wurde zwischen 1918 und 1920 gebaut. Es war u. a. auch eine Schule und Wohnhaus für einige Familien. Für den Film “Bye Bye Blues” war es ein Hotel und wurde blau angestrichen.


    Rowley United Church:


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    Der Gottesdienst wurde zuerst in den Häusern der Einwohner abgehalten. 1925 begann man Geld für eine Kirche zu sammeln. Aber erst 1938 bis 1939 konnte man die Kirche bauen. Sie wurde in den späten 1960er Jahren geschlossen. Heute findet nur noch zu bestimmten Gelegenheiten, z. B. Hochzeit, ein Gottesdienst statt.


    Die ehemalige Pool Hall:


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    Die Pool Hall wurde für einen Western errichtet, heute ist es ein Beerdigungsgeschäft.


    Die Bank:


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    Das Gebäude wurde speziell für den Film “Bye, Bye Blues” gebaut und als Geschäft genutzt.


    Der General Store:


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    Der General Store war von 1920 bis 1973 geöffnet. In einem Werbefilm war es auch ein Café.


    Sam’s Saloon:


    Direkt neben dem General Store ist Sam’s Saloon, das ehemalige Sam’s Café.


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    Hier gab es Chop Suey und Fried Oysters. Das Café wurde 1922 gebaut und 1968 geschlossen. Der letzte Besitzer (von 1943 bis 1968)war Sam Leung, dem auch der Butcher Shop gehörte. Sam Leung starb 1971 - drei Jahre nach seinem Ruhestand - in Rumsey.


    Municipal District Office:


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    Das Office war bis 1943 geöffnet und wurde in dem Film “Bye Bye Blues” als Post Office genutzt.


    Die Community Hall:


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    Die erste Community Hall wurde 1922 durch ein Feuer zerstört, aber nicht wie einige andere Gebäude wieder aufgebaut. Die Hall wurde 1974 aufwendig erweitert: Bathrooms, Kitchen und es gab fließendes Wasser.


    Die CNR Railway Station:


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    Die Railway Station wurde 1920 gebaut. 1980 hat Rowley das Gebäude von der Eisenbahngesellschafft gemietet und es in ein Museum umgestaltet.


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    Die Schienen sollen nur etwa 100 Meter in beiden Richtungen von der Station verlaufen. Der Bahnhof ist einer der wenigen verbliebenen Canadian Northern Station, die es entlang der Strecke gab.


    Livery Stable:


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    Der Livery Stable wurde 1917 gebaut und 1967 geschlossen. Er soll immer noch im Besitz der Swallow Family sein.


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    Es gibt noch weitere Gebäude, die zum Teil nicht wieder hergerichtet wurden.


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    Grain Elevators:


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    Dank der Einwohner von Rowley, die die Speicher für 1 $ je Speicher von der Alberta Wheat Pool gekauft hatten, existieren die Kornspeicher heute noch. Der einzelne Speicher (Searle Grain) wurde 1920 erbaut. Er war in Besitz der Federal Grain, bevor er an die Alberta Wheat Pool in den frühen 1970er Jahren verkauft wurde. Von den beiden gleich aussehenden Elevators wurde der United Grain Growers 1917 erbaut und kam in den späten 1920er Jahren in den Besitz von Alberta Wheat Pool. Sein Zwilling wurde erst 1940 erbaut.
    In den frühen 1990er Jahren wurden die drei Grain Elevators liebevoll von den Einwohnern restauriert.

  • Ein kleines Update von gestern (10.07.2022):


    (1) Rowley erreicht man auf den letzten vier Kilometern über eine RV-taugliche gravel road. Kaum washboard.

    (2) Die Stadt ist bestenalls semi-ghost. Da gibt es die "Main Street" mit hübschen Fronten verlassener Gebäude. Dann den Bahnhof mit den stillgelegten Gleisen und noch ein paar interessante Gebäude mehr (s.o. im ausführlichen Beitrag von Gerd). Diese sind verschlossen, wenn man hineinwill, kann man eine Führung beantragen.

    (3) In Rowley leben (s.o.) Menschen, die Rasenmähen, Auto polieren, freundlich grüßen usw.. Richtiges ghost town-Flair will sich nicht einstellen. Trotzdem ist die historische Stadt (so würde ich sie eher bezeichnen) einen Besuch wert.

    (4) Summer Pizza Nights in a "ghost town" - da gibt es regelmäßig Veranstaltungen.


    Viele Grüße

    Dirk

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